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Interview: Startup trifft Verwaltung – Wie gewinnt man 500 Behörden als Kunden?

Interview: Startup trifft Verwaltung – Wie gewinnt man 500 Behörden als Kunden?
Contributors
Nils Hoffmann
Nils Hoffmann
Geschäftsführer
Lavinia Wolf
Lavinia Wolf
Lead, Communications
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Faruk Tuncer ist Gründer und Geschäftsführer von Polyteia, einem der erfolgreichsten und bekanntesten GovTech-Unternehmen Deutschlands. Gemeinsam mit seinem Team arbeitet er daran, Verwaltungen mit moderner, modularer Software auszustatten. Mehr als 500 Behörden und öffentliche Einrichtungen in Deutschland nutzen Polyteia bereits, zum Beispiel für HR-Analytics, zur Aufbereitung von Demografiedaten bis hin zur Auswertung von Lebensmittelsicherheitskontrollen. Im Interview spricht er über seine Motivation, die Besonderheiten im Vertrieb an Behörden und die Lehren, die er aus den letzten Jahren gezogen hat.

Faruk, wie bist du dazu gekommen, ein Unternehmen für den öffentlichen Sektor zu gründen?

"Ich habe Public Policy studiert und auch im Ausland Erfahrungen gesammelt – unter anderem in Singapur, wo die digitale Transformation des Staates sehr weit ist. Der Staat prägt unser aller Leben enorm, ob es Infrastruktur ist, die wir jeden Tag nutzen oder Regulierung, von der wir betroffen sind. Dabei habe ich beobachtet: Die Verwaltung arbeitet technisch im 20. Jahrhundert, organisatorisch oft sogar noch im 19. Jahrhundert. Ich wollte dazu beitragen, sie zumindest technisch ins 21. Jahrhundert zu bringen.

Diese Erkenntnis kam nicht nur aus der Theorie, sondern auch aus meiner eigenen Arbeitserfahrung. Als ich in der Politik tätig war, saß ich an einem Desktop-Rechner mit 4:3-Bildschirm, alles lief on-premise. Das war vor acht Jahren – es hat sich inzwischen zwar schon etwas getan, aber dennoch wird das Potenzial von Cloud-Lösungen, Datenanalyse und KI noch längst nicht ausgeschöpft. Prozesse könnten schneller und effizienter laufen. Genau dieser Widerspruch hat mich motiviert, etwas zu verändern."

Possible Geschäftsführer Nils Hoffmann mit Faruk Tuncer im Interview

Warum hast du diesen Weg als Unternehmer gewählt und nicht innerhalb der Verwaltung?

"Es gibt viele Menschen, die innerhalb der Verwaltung große Wirkung entfalten und als Abteilungsleiterin oder Staatssekretär entsprechende Verantwortung haben. Für mich persönlich passten die hierarchischen Strukturen jedoch nicht. Ich habe es ausprobiert, aber es war nichts für mich. Das Unternehmertum hat mir die Möglichkeit gegeben, trotzdem nah an diesen Themen zu arbeiten – aber mit mehr Freiheit. Natürlich trägt man selbst dann das Risiko, aber dafür hat man auch die unternehmerischen Gestaltungsmöglichkeiten. Und man kann eigene Entscheidungen treffen: Welche Probleme priorisieren wir? Welche Features entwickeln wir nicht? Diese Freiheit, Dinge anders zu machen als es das System vorgibt, war für mich entscheidend."

Du sprichst oft von „B2G“ – also Business-to-Government. Was macht den Verkauf an Behörden so besonders?

"Generell sehe ich B2G als Unterkategorie von B2B (Business-to-Business). Es geht darum, an Organisationen zu verkaufen, nicht an einzelne Konsumenten. Das ist der erste wichtige Punkt. Die Besonderheiten von B2G im Vergleich zu B2B liegen in den viel strengeren Compliance-Anforderungen: Datenschutz, IT-Sicherheit, Souveränität – alles wird sehr genau geprüft.

Das führt automatisch zu längeren Verkaufszyklen, weil eben mehr Menschen die Einhaltung der Regeln prüfen. Vertrauen und Sicherheit haben im öffentlichen Sektor einen noch höheren Stellenwert als im Unternehmensumfeld. Außerdem gibt es branchenspezifische Regeln, die man beachten muss: etwa die ungeschriebene Regel, mit europäischen Cloud-Anbietern zu arbeiten. Diese Regeln sind zum Teil gar nicht gesetzlich fixiert, sondern haben sich als „Best Practice“ etabliert – trotzdem sind sie für den Marktzugang entscheidend."

Welche Erfahrungen hast du beim Skalieren gemacht?

"Am Anfang findet man durchaus eine kleine Kommune, die mit dir zusammenarbeitet und manche Regulierung lockerer sieht. Aber sobald man in die Skalierung geht – von zehn auf hundert oder mehr Kunden, funktioniert das nicht mehr. Denn Verwaltungen bewegen sich risikoavers.

Es wird zu einem „Checklisten-Spiel“. Man arbeitet sich durch lange Excel-Listen voller Anforderungen und muss jedes einzelne Feld erfüllen, sonst kommt man nicht weiter. Wer diesen Aufwand scheut, scheitert. Aber wer bereit ist, diese Mühen zu investieren, wird Schritt für Schritt wettbewerbsfähiger gegenüber anderen, die das nicht erfüllen. Die Investition in Compliance lohnt sich langfristig."

Was bedeutet das für den Vertrieb? Welche Art von Sales-Leuten braucht man?

"Wichtig ist, die Sprache der Verwaltung zu sprechen. Ein Beispiel: Du bietest eine App an, die einen Verwaltungsdienst digitalisiert. Welche Begriffe du für deine Lösung verwendest, beeinflusst deinen Erfolg erheblich. Nennst du es “App” oder „digitales Formular“, wird es keiner zuordnen können und du musst viel Zeit aufs Erklären verwenden. Nennst du es hingegen „Online-Dienst“, wird dein Gegenüber direkt die Verknüpfung zum Onlinezugangsgesetz (OZG) herstellen, und damit zur passenden gesetzlichen Grundlage und zu seinem Bedarf. Das klingt nach einer Kleinigkeit, aber es macht einen großen Unterschied.  

Generell gilt: Der Köder muss dem Fisch schmecken. Wer Behörden adressiert, muss ihr Vokabular und ihre Denkweise kennen – das ist trainierbar, aber man darf es nicht unterschätzen."

Gab es einen Moment, der für Polyteia ein Gamechanger war?

"Ja, definitiv. Wir hatten anfangs versucht, alles in wiederkehrende Gebühren zu packen – so wie man es aus der SaaS-Welt kennt. Aber das hat nicht funktioniert. Verwaltungen sind es gewohnt, Projekte zu starten und einmalige Gebühren zu zahlen.

Als wir diese Logik wieder aufgenommen haben, konnten wir deutlich besser Abschlüsse erzielen. Ein Projekt mit einem klaren Start, einer definierten Laufzeit und einem Budgetposten entspricht einfach der gewohnten Arbeitsweise von Behörden. Es geht darum, mit den Gewohnheiten des Marktes zu arbeiten und nicht zu viel zusätzlichen Erklärungsbedarf zu erzeugen."

Welchen Rat würdest du anderen Gründerinnen und Gründern geben, die in den Public Sector wollen?

"Schaffe so viel Nähe zur Verwaltung wie möglich. Von außen reinzukommen ist das Schwerste. Man konkurriert mit etablierten staatlichen IT-Dienstleistern, die seit Jahrzehnten in den Strukturen verankert sind.

Mein Tipp: Versuche von Beginn an, Insider zu werden – über Rahmenverträge, Kooperationen oder gemeinsame Initiativen und beschäftige dich von Anfang an mit Compliance. Das kostet erst einmal viel Zeit, lohnt sich aber auf lange Sicht, weil du es irgendwann sowieso nachholen musst. Wer zu lange außen vor bleibt, scheitert später an der Skalierung. Und wer frühzeitig Vertrauen aufbaut, spart sich später Jahre des mühsamen Nacharbeitens."

Fazit

Das Gespräch mit Faruk Tuncer zeigt: GovTech-Unternehmen brauchen langen Atem, Verständnis für die Logik der Verwaltung – und die Bereitschaft, sich auf deren Sprache und Strukturen einzulassen. Wer das beherzigt, kann echten Impact entfalten und dazu beitragen, die Verwaltung Schritt für Schritt ins 21. Jahrhundert zu bringen.

Ihr seid Tech-Anbieter und wollt in den öffentlichen Sektor?

Informiert euch zu unserem 9-monatigen GovStart Programm (Ansprechpartnerin Nadezhda Filina) oder kontaktiert Dr. Denis Krechting für ein maßgeschneidertes Paket. Wir freuen uns auf eure Kontaktaufnahme.

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